Die Route
Mein Vorhaben, alle zwei Jahre einen Kon­ti­nent mit dem Rad zu bereisen, führte mich dies­mal nach Aus­tralien. Ein kurz­er Blick auf die Karte und schon waren Start und Ziel der Reise klar: von Dar­win im Nor­den nach Mel­bourne im Sü­den und dazwis­chen einen Ab­stech­er zum Ulu­ru (Ay­ers Rock). Zwei Tage vor Abreise dachte ich mir, dass es vielle­icht doch mal sin­nvoll wäre, die Ent­fer­nung zu messen. Das Ergeb­nis be­un­ruhigte mich dann doch et­was, denn 4.500 km in fünf Wochen sind eine echte Her­aus­forderung. Let­ztlich er­lag ich un­ter­wegs noch oft­mals der Ver­suchung nach weit­eren Aben­teuern und so wur­den es am Ende 5.600 km.

Los geht‘s
Für den Trans­port des Rades im Flugzeug nahm ich dies­mal eine Bike­box mit. Sieht lustig aus und so fan­den es auch glück­licher­weise die Aut­o­fahrer, die geduldig hin­ter mir her­fuhren. Am Bahn­hof in Schwe­in­furt wurde ich von meinen Kindern ve­r­ab­schiedet und drei Stun­den später kam ich mit dem Zug in Frank­furt an. Gepäck­auf­gabe und Eincheck­en ver­liefen prob­lem­los und nach Zwis­chen­lan­dun­gen in Dubai und Perth er­re­ichte ich zwei Tage später Dar­win. Im Flugzeug hat­te ich viel Zeit zum Schlafen und war somit gut aus­geruht. Das Rad war schnell wieder zusam­mengeschraubt, die Reifen aufgepumpt und nach ein paar Einkäufen (Kochben­zin, Stre­ich­hölz­er, Nudeln etc.) kon­nte es schon losgehen.

Kakadu-Na­tion­al­park
Mein er­stes Ziel war der Kakadu-Na­tion­al­park. Eigentlich dachte ich, es wäre nichts Außergewöhn­lich­es, dort mit dem Rad herumz­u­fahren. Aber außer mir war im Park nie­mand mit dem Rad un­ter­wegs und bald sollte mir auch klar wer­den, warum …
Der Kakadu-NP liegt in der tro­pis­chen Zone mit heißen, trock­e­nen Monat­en im Süd­win­ter und schwül-warmer Re­gen­zeit im Süd­som­mer. Ich war ger­ade in der Zeit dazwis­chen un­ter­wegs und hat­te somit bei­des zusam­men: Tem­per­a­turen über 40 °C und eine schi­er unerträgliche Luft­feuchtigkeit. Sobald ich an­hielt wurde ich zu­dem von un­zäh­li­gen Stech­mück­en und Buschfliegen drangsaliert. Es ist ein­fach Wahnsinn zu dieser Zeit hier Rad zu fahren und meine Routen­pla­nung schien ern­sthaft gefährdet zu sein.

Ziem­lich fix und fer­tig er­re­ichte ich schließlich Ubirr, einen heili­gen Ort der Abo­rig­ines. Fel­sze­ich­nun­gen sind ein in­te­graler Teil des Lebens und der Kul­tur der Abo­rig­ines. Einige dieser Ze­ich­nun­gen wer­den als heilig und gefährlich be­tra­chtet und dür­fen nur von äl­teren Män­nern oder Frauen ange­se­hen wer­den, während an­dere von je­dem bestaunt wer­den kön­nen. Die meis­ten der 5.000 Sand­steingemälde ent­standen vor ca. 1.500 Jahren.

Auf dem Stu­art-High­way
Schnell­st­möglich fuhr ich aus diesem kli­ma­tis­chen Hex­enkessel her­aus und freute mich da­rauf, in die klare und trock­ene Luft des aus­tralis­chen Out­backs zu fahren. Der High­way verbindet über eine Länge von ca. 2.700 km Dar­win mit Port Au­gus­ta in Süd-Aus­tralien. Im Prinzip sind dort zwei Arten von Fahrzeu­gen un­ter­wegs: Road­trains und ein ein­samer Rad­fahrer. Die Road­trains ‑bis zu 54 m lang und 130 t schw­er- kon­nte man schon von weit­em hören und wenn möglich, fuhr ich dann auf dem Seit­en­treifen weit­er. Gefährlich sind die Road­trains vor allem für Kän­gu­rus, denn da wird erst gar nicht ver­sucht zu bremsen!

Die Dis­tanzen in Aus­tralien sind gewaltig, da liegen schon mal mehrere hun­dert km zwis­chen zwei Ortschaften. Dazwis­chen befind­en sich in un­regelmäßi­gen Ab­stän­den Rast­plätze — mit oder ohne Wasser­tank. Die Tanks sind mit ‚Wa­ter may not be suit­able for drink­ing‘ beschriftet und selb­st in den Road­hous­es bekam ich manch­mal Wass­er nur mit dem Hin­weis, es wäre nicht zum Trinken geeignet. Naja, ich nahm was ich bekam und habe es auch im­mer gut ver­tra­gen. In den Road­hous­es füllte ich natür­lich nicht nur meinen Pro­viant auf son­dern auch meinen meist leeren Magen.

Ter­miten­hügel, Wasser­fälle und heiße Quellen
Ab­seits des High­ways gibt es einiges zu se­hen, manch­mal muss man halt vom High­way ab­biegen und ein paar Kilo­me­ter weit­er­fahren. Zu mein­er Über­raschung gab es aber auch ab und zu di­rekt am Straßen­rand et­was zu se­hen, wie z. B. die lustig verklei­de­ten Termitenhügel.

Der Nit­miluk-NP ist berühmt für seine tiefen Schlucht­en und san­ften Wasser­fälle. Eine Ka­jak-Tour wäre zwar sich­er ein tolles Er­leb­nis gewe­sen, aber an­gesichts der noch vor mir liegen­den Strecke entsch­ied ich mich stattdessen für einen kurzen Be­such der im Na­tion­al­park gele­ge­nen Edith-Falls. Die Wan­derung ent­lang der Wasser­fälle war eine schöne Ab­wech­slung vom Rad­fahren und die Dusche war auch mehr als fällig!

Das warme Wass­er der Ther­mal-Quellen im Elsey-NP war eben­so sehr an­genehm und entspan­nend. Im Ok­to­ber ver­sam­meln sich dort tausende von Flughun­den. Ich kon­nte sie zwar sehr gut beobacht­en, aber lange hält man es in der Nähe der Tiere nicht aus, denn der Ges­tank ist fürchterlich.

Kar­lu Kar­lu
Di­rekt neben dem Stu­art-High­way befind­en sich die Teufelsmurmeln (Kar­lu Kar­lu). In der Mytholo­gie der Abo­rig­ines stellen die riesi­gen run­den Gran­it­steine die Eier der Re­gen­bo­gen­schlange dar. In­mit­ten des Parks befind­et sich ein klein­er Camp­ing­platz, so­dass ich abends keinen Zelt­platz suchen musste und den Park bis spät in die Nacht hinein in aller Ruhe erkun­den kon­nte. Es war ein wirk­lich sehr schönes Er­leb­nis, während des Son­nenun­ter­gangs dort zu wan­dern und zu fo­tografieren. Ich war froh, dass zu meinen Lieblingszeit­en (je später der Abend …) außer mir nie­mand un­ter­wegs war.

Al­ice Springs
Schließlich er­re­ichte ich ‚The Al­ice‘, die einzige größere Stadt im Out­back und Aus­gang­sort für einen Be­such des Ulu­ru (Ay­ers Rock). Als ich in Al­ice Springs ein Schild mit der Angabe ‚Ay­ers Rock 468 km‘ sah, musste ich schon mal kurz tief dur­chat­men! Ich füllte im Su­per­markt meine Vor­räte auf, schlen­derte gemütlich durch die Stadt, check­te in der Ju­gend­her­berge ein und schlief zur Ab­wech­slung mal in einem richti­gen Bett.

Ulu­ru-Kata-Tju­ta-Na­tion­al­park
Pünk­tlich zum Son­nenun­ter­gang stand ich drei Tage später am Fuße des Ulu­ru. Der In­sel­berg er­hebt sich 350 m über sein Um­land und ist ein spir­ituelles Heilig­tum der Abo­rig­ines. Die Farb­wech­sel während des Son­nenun­ter­ganges sind ein­fach gigantisch.

Am näch­sten Tag stand ich um 4 Uhr auf und bestaunte den Ster­nen­him­mel am Ulu­ru. An­schließend fuhr ich zu den be­nach­barten Ol­gas (Kata Tju­ta). Es war sehr schön und nach ein­er tollen Wan­derung zwis­chen den im­posan­ten Hügeln machte ich mich wieder auf den Weg in Rich­tung Stuart-Highway.

Coober Pedy
Das näch­ste Ziel auf dem Weg in den Sü­den war die Ortschaft Coober Pedy. Kurz vor Coober Pedy bog ich vom High­way zu den Break­aways ab, eine zerk­lüftete, bunte Hügel­land­schaft, die u. a. schon als Filmkulisse für ‚Mad Max — Jen­seits der Don­nerkup­pel‘ diente.

In, um und vor allem unter Coober Pedy dreht sich alles um Opal. Die Edel­steine wer­den in Stollen abge­baut und die dadurch ent­stande­nen Höhlen di­enen prak­tis­cher­weise gle­ich als un­terirdis­che Woh­nun­gen. Natür­lich habe ich eine alte Mine be­sucht und auch in ein­er als Back­pack­er-Un­terkun­ft um­funk­tion­ierten ehe­ma­li­gen Mine über­nachtet. Opale habe ich aber lei­der keine gefunden …

Lake Hart
Im Herzen Aus­traliens liegen mehrere riesige Salzp­fan­nen, die sich nur alle paar Jahre nach in­ten­siv­en lan­gen Re­gen­fällen mit Wass­er füllen. Als ich den Lake Hart sah, war mir so­fort klar: Michael, das ist dein Zelt­platz für die näch­ste Nacht. Weil es ger­ade Abend war, wollte ich sowieso nicht mehr weit­er­fahren und so fuhr ich weit auf den See hin­aus. Es war ein­fach klasse und ich hat­te einen wun­der­schö­nen Abend mit­ten in der Salzp­fanne. Schade, dass stark­er Wind aufkam, son­st hätte ich ein­fach ohne Zelt auf der Iso­mat­te draußen geschlafen.

Kan­ga­roo Is­land
Bei Port Au­gus­ta er­re­ichte ich den Süd­paz­i­fik und damit das Ende des Stu­art-High­ways. Jet­zt hat­te ich also tat­säch­lich Aus­tralien ein­mal von Nor­den nach Sü­den durch­quert. Meinen ur­sprünglichen Plan, nun auf dem kürzesten Weg nach Mel­bourne zu fahren legte ich mal ganz schnell bei­seite. Denn mit dem Gedanken an das Ende der Reise kon­nte ich mich noch gar nicht an­fre­un­den. So suchte ich also nach neuen Zie­len. Nach einem Blick in die Karte entsch­ied ich mich kurz­er­hand, weit­er Rich­tung Sü­den bis nach Kan­ga­roo Is­land zu fahren.
Die In­sel ist seit 10.000 Jahren vom aus­tralis­chen Fes­t­land ge­tren­nt und de­shalb kon­nte sich dort eine eigen­ständi­ge Flo­ra und Fau­na en­twick­eln. Es gibt keine von an­deren Kon­ti­nen­ten einge­führten Tiere, deren Vorkom­men in an­deren Teilen Aus­traliens teils ver­heerende Auswirkun­gen haben. Man kann hier vielmehr in aller Ruhe Seelöwen, Koalas, Ameisenigel, Warane und natür­lich auch viele Kän­gu­rus bewundern.

Great Ocean Road
Also wenn ich schon mal da bin, dann kann ich ja auch noch die Great Ocean Road fahren. Jene berühmte Straße, die über 243 km an der Süd­küste Aus­traliens von Torquay bis kurz vor Mel­bourne führt. Riesige Felssäulen wie die ‚Twelve Apos­tels‘ warteten auf mich!
Durch die san­ften Hügel ent­lang der Flinders Range war die Great-Ocean-Road schnell erreicht.

Nach Hause
Einen Tag vor dem Rück­flug nahm ich dann Ab­schied von der Küste und bog Rich­tung Mel­bourne ab. Aus­nahm­sweise war auch lei­der wirk­lich gar nichts mehr in der Nähe, wo ich noch schnell hätte hin­fahren kön­nen, es blieb nur noch der Flughafen übrig …