Die Anreise über Frankfurt-Madrid-Santiago de Chile-Lima verlief völlig problemlos und zu meiner Überraschung war sogar gleichzeitig mit mir das Gepäck und das Fahrrad in Lima angekommen. Weil mich Großstädte nicht sonderlich interessieren und eine lange Strecke vor mir lag, machte ich mich gleich auf den Weg: Räder aufpumpen Radtaschen einhängen und losfahren!
Auf dem Weg durch Lima lernte ich schon mal ein paar Dinge kennen, die mich bis La Paz immer wieder begleiten sollten: Sammeltaxis, die kreuz und quer fahren, hupen ersetzt die Bremse, beim Anfahren eines Fahrzeugs steht man in einer schwarzen Rußwolke, überall wird etwas gekauft und verkauft, das Leben findet tagsüber komplett auf der Straße statt. Über der ganzen Stadt hing ein unangenehmer Geruch, der nicht nur von den Fahrzeugen kam, sondern eher aus den hygienischen Verhältnissen resultierte. Am Unglaublichsten fand ich aber die Fahrzeuge und musste immer an die alte Fernseh-Klamotte ‘Das Haus am Eaton-Place’ denken.
Die weitere Strecke führte zunächst 130 km bergauf bis auf 4.813 m! (Nein, ich bin nicht an einem Tag hochgefahren.) Dort oben ist natürlich eine ganz andere Welt mit Gletschern, Bergseen, tiefen Schluchten, Schafen, Lamas usw.
Dann ging es erstmal ‘wellig’ 1.000 m runter und wieder 1.000 m hoch. Wenige Tage später nach einigen hundert km und ich weiß gar nicht wie vielen Höhenmetern war dann Schluss mit Asphalt: 450 km Schotterpiste lagen vor mir. Die Strecke war abenteuerlich, abwechselnd ging es von 4.000 m runter auf 1.500 m und dann wieder hoch auf 4.000 m. Im Tal wachsen Bananen, Papayas usw.. und man kann sich mit den Papageien unterhalten, oben dann gucken einen nur die Lamas verwundert an.
Rückblickend kann ich sagen, dass es zwar sehr eindrucksvoll war, aber auch ebenso anstrengend und als ich nach fünf Tagen ein Hostel aufsuchte um mich wieder zu kultivieren, bin ich erschrocken als ich in den Spiegel blickte: Nein, das bin ich nicht, dass ist doch der Typ aus dem Fernsehen, der zu Fuß die Wüste durchquert hat! Ich hatte zwar Sonnenschutzcreme dabei und benutzt, aber nur eine Sturmhaube hätte mich wohl vor einem Sonnenbrand bewahrt. Dazu kamen unendlich viele kleine Wunden von den Mücken und Ameisen.
Dafür hatte ich besonders auf diesem Abschnitt einen hervorragenden Fanclub, nämlich die Einwohner Perus. Nie hatte ich eine unangenehme Begegnung oder gar Angst, mir könnte etwas passieren. Überall wurde (freundschaftlich) ‘Gringo’ gerufen als wenn das mein Name wäre und jeder wollte wissen, woher ich komme bzw. wohin ich fahre. Eigentlich dachte ich, dass viel mehr Radfahrer unterwegs sind, aber wahrscheinlich ist die berühmte ‘Panamericana’, die in Peru hauptsächlich an der Küste entlangführt, die bevorzugte Route.
Jedenfalls traf ich nur einheimische Radfahrer.
Die Strecke führte nun weiter bei täglich allerschönstem Sonnenschein bis nach Cusco, der alten sagenumwobenen Inka-Hauptstadt. Einen Abstecher mit Bus und Zug nach Machu-Pichu war für mich eher ein Akt der Allgemeinbildung als ein wirkliches Highlight. (Mein Gedanke beim Anblick war: solche Steinhäuser stehen in Irland auch rum). Es ist eher das Mystische und die vielen Sagen und Legenden, die Machu-Pichu für die Besucher interessant machen.
Im weiteren Verlauf hinter Cusco ging es dann noch einmal auf über 4.000 m hoch und dann war ich auf dem Altiplano, einer gewaltigen Hochebene die sich bis nach Bolivien erstreckt und auf der auch der Titicacasee liegt. Die Fahrt mit einem Motorboot zu den schwimmenden Inseln der Uros (das sind Inseln aus Schilf auf denen sich die Uros vor den Inkas auf dem Titicacasee in Sicherheit brachten) hat dann doch Spaß gemacht, auch wenn dort alles nur Show ist und es diese Inseln ohne zahlende Touristen gar nicht mehr geben würde.
Noch schöner war aber am nächsten Tag die Fahrt mit einem Fischer. Als ich frühmorgens meine Sachen packte, machte neben dem Zelt gerade ein Fischer sein Ruderboot zurecht. Keine 10 min später saß ich an den Rudern und er an seinem Netz.…
Flach ging die Straße weiter nach Süden Richtung Bolivien. La Paz war mein nächstes Ziel. Der Blick ist atemberaubend: Das Altiplano bricht an einer Kante ab und im Talkessel einige hundert Meter tiefer liegt die Großstadt La Paz mit all den Kirchen, Wolkenkratzern, Wohnhäusern und außenrum unzähligen Hütten. Weil es im Tal zu eng (und teuer) geworden ist, hat sich oberhalb der Kante eine neue Stadt (El Alto) gebildet, die mittlerweile mehr Einwohner hat als La Paz.
Nach einem kurzen Abstecher in La Paz fuhr ich wieder in die Berge, meine letzte Tour denn in El Alto war der Flughafen für den Heimflug.
Es war noch mal ein ganz tolles Erlebnis. Ich fuhr im Schneegestöber zum Zongo-Pass auf 4.800 m, übernachtete dort in einer Berghütte und traf mich am nächsten Tag mit einem Bergführer, um den Potosi (6.088 m) zu besteigen. Bei Mondschein sind wir dann nachts um 2 Uhr losgelaufen. War natürlich Klasse mit Steigeisen über den gefrorenen Neuschnee zu laufen. Als dann um 6 Uhr die Sonne aufging, sah man unter uns die Wolken aus denen nur die schneebedeckten Gipfel der Berge herausragten und über uns den tiefblauen Himmel. Zugegebenermaßen wurde so ab 6.000 m die Luft merklich dünner und ich kam nur noch langsam voran: drei Schritte gehen ‑Pause- drei Schritte gehen ‑Pause… Aber die Kondition reichte noch, wir kamen gut oben an und auch wieder runter.
Als Abschluss und weil es fast auf dem Weg lag, bin ich dann noch mit dem Rad nach Chacaltaya gefahren. Chacaltaya war mal ein großer Gletscher und mit 5.395 m Höhe das höchstgelegene Skigebiet der Welt. Ich habe zwar noch ein paar Snowboarder und Skifahrer getroffen, aber ich glaube das ist eher Gaudi. Jedenfalls liegt die Hütte auf 5.300 m und das war dann auch der höchste Punkte, auf dem ich bis dahin jemals mit dem Rad war.
Tja, danach ging es leider zurück, wobei fünf Wochen auch lange genug waren. Mal wieder richtig warm duschen, eine fette Bratwurst essen und mich auf Deutsch unterhalten. Abgesehen von der kleinen Meinungsverschiedenheit in Santiago de Chile über ein Wurstbrot in meinem Rucksack (hat mich 65 US-Dollar Strafe gekostet!) hat auch der Rückflug gut geklappt.
Jetzt bin ich wieder hier, habe viele schöne Bilder und Geschichten in meinem Kopf und natürlich schon eine Idee für die nächste Reise;-)