Die Route
Im Sommer 2008 war ich zum ersten Mal in Südamerika. Damals fuhr ich mit dem Rad von Lima nach La Paz. Es war eine sehr schöne Reise und deshalb dachte ich mir diesmal, dass ich einfach genau dort weiterfahre, wo ich damals aufgehört habe. So saß ich Anfang Oktober im Flieger nach La Paz und hatte ein Ticket für den Rückflug von Santiago de Chile nach Frankfurt dabei. Und damit es zeitlich etwas entspannter wird, gönnte ich mir für diese Reise 8 Wochen Urlaub. Um es vorweg zu nehmen, es sollte trotzdem die bisher anstrengendste Reise werden!
Anreise La Paz
Nach der kleinen Radtour von meinem Wohnort Waldsachsen zum Bahnhof in Schweinfurt, der Zugfahrt nach Frankfurt und dem Flug über Paris und Lima, kam ich voller Tatendrang in La Paz an. Genaugenommen in El Alto, ehemals lediglich ein Stadtteil von La Paz und heute mit ca. 800.000 Einwohnern eine eigenständige Stadt. Seit ein paar Jahren gibt es hier übrigens die längste städtische Seilbahnstrecke der Welt! Nach den obligatorischen Einkäufen (Benzin für den Kocher, Lebensmittel, usw.) fuhr ich los Richtung Süden. Die Höhe — La Paz liegt immerhin auf knapp 4000 m — machte mir wenig aus, nur bergauf merkte ich die dünne Luft. Allerdings waren die ersten paar hundert Kilometer nicht so prickelnd: viel Verkehr, Regen und nachts sogar Schnee.
Caracollo
Jedes Jahr findet in Caracollo das “Festividad de la Virgen del Rosario” (Fest zu Ehren der Jungfrau Maria) statt. Ich hatte das Glück, genau an diesem Tag durch das ansonsten beschauliche Städtchen zu fahren. Nach einer ordentlichen Stärkung in einem kleinen Restaurant stellte ich dort mein Rad ab und stürzte mich fasziniert in das Getümmel.
Salar de Uyuni
Salar de Uyuni ist die größte Salzwüste der Welt. Von einem Ende zum anderen sind es ca. 120 km und die Salzkruste ist bis zu 100 m dick!
Weil einfach alles weiß ist und keine optischen Bezugspunkte vorhanden sind, kann man lustige Bilder machen.
Am nächsten Tag erreichte ich die Insel ‘Isla Incahuasi’, unternahm eine kurze Wanderung und bewunderte die über 10 m hohen Kakteen.
Lagunenroute
Was sich so ganz harmlos und unscheinbar ‘Lagunenroute’ nennt, ist eine Strecke von etwa 500 km über mehrere Pässe bis auf fast 5000 m Höhe, abwechselnd weichen Sand- und harten Wellblechpisten, vor allem aber extrem viel Wind! Die meisten Touristen sind auf dieser Strecke mit Allradfahrzeugen unterwegs. Immer freundlich hupend, winkend, grüßend, Daumen hoch und mich fotografierend fuhren sie an mir vorüber. Auf den Gedanken, dass ich vielleicht Durst und Hunger haben könnte kam leider keiner… Verdursten tut man allerdings nicht, denn an den Lagunen gibt es meistens ein kleines Restaurant und da kann man zumindest die Wasserflaschen wieder auffüllen.
San Pedro de Atacama
Am Ende der Route geht es 40 km und 2000 Höhenmeter bergab nach San Pedro de Atacama. Dort quartierte ich mich in einem Hostel ein. Eine Dusche und mal wieder in einem Bett schlafen kamen mir jetzt sehr gelegen. Außerdem ist der Ort Ausgangspunkt für schöne Ausflüge. So besuchte ich das nahegelegene Moon-Valley und am nächsten Tag eine organisierte Tour zum Geysirfeld El Tatio.
Panamericana
Zwei Tage Aufenthalt in San Pedro de Atacama waren genug und so machte ich mich wieder auf den Weg. Diesmal auf schön glattem Asphalt und relativ ebenem Gelände. Damit es jedoch nicht zu einfach wird, begleitete mich stetiger Gegenwind. Wenn ich Wind schreibe, meine ich nicht etwa ein Lüftchen, sondern derartigen Wind, dass zuhause keiner mehr das Haus verlassen würde! Aber es ging voran, wenn auch manchmal nur schiebend. Ein paar Kilometer auf der legendären Panamericana, durch Bergbau-Gebiete und schließlich noch am Pazifik entlang, führte die Strecke weiter nach Süden. In dem beschaulichen Städtchen Diego de Almagro hieß es dann nochmal tief Luft holen und die Provianttaschen füllen. Das nächste Abenteuer steht bevor …
Nevado Ojos del Salado
Der Berg ruft — genauer der Ojos, mit 6.890 m der höchste Berg Chiles und der höchste Vulkan der Welt! Durch einsame Täler ging es immer höher hinauf, bis ich schließlich am nächsten Tag auf 4.500 m die Schutzhütte Murray erreichte. Dort deponierte ich einen Teil meiner Ausrüstung und machte mich am nächsten Morgen per Rad auf den Weg zum Basecamp auf 5.200 m. Von dort aus wollte ich noch am gleichen Tag bis zum Hochlager auf 5.800 m aufsteigen und am nächsten Tag auf den Gipfel. Ich machte die Rechnung aber ohne den Wind. Kurz vor dem Basislager drehte ich wieder um — der Wind hatte Sturmstärke erreicht und die Böen wehten mir das Rad unterm Hintern weg! Außerdem wurden die mit meterhohem Büßereis gespickten Schneefelder immer größer und weil die Saison noch nicht begonnen hatte war ich alleine am Berg unterwegs. Das war mir dann doch zu viel und erschien mir ziemlich aussichtslos. Also drehte ich wieder um und kehrte zur Schutzhütte zurück. Dort dann die große Überraschung: ein Teil der zurückgelassenen Ausrüstung war weg!
Es geht weiter!
Nach dem ersten Ärger machte ich eine Bestandsaufnahme. Außer dem Zelt fehlte eigentlich nichts Wichtiges, also konnte ich meine Reise fortsetzen. Am Abend des nächsten Tages traf ich einen Bergführer und fragte ihn, wo ich evtl. ein Zelt kaufen könnte. Schwierig meinte er, aber da wo du hinfährst ist es warm, da brauchst du kein Zelt! Das dachte ich mir dann auch und ließ mir die Reise nicht durch den Diebstahl vermiesen. Ich habe auch fast nur nette Menschen getroffen und vor allem diese vielen schönen Begegnungen sind es für mich, die eine Reise erfolgreich machen.
Die Fahrt aus den Bergen heraus ins Flachland war landschaftlich sehr schön und die Wärme tat mir gut. Bevor es so richtig angenehm wurde, musste ich allerdings erst noch einen Sandsturm überstehen. Hätte da ein Autofahrer angehalten und mir angeboten mich mitzunehmen hätte ich das Angebot angenommen. Hat aber keiner angehalten, nur nett gewunken und Daumen hoch! Auf meiner weiteren Fahrt hatte ich viele wunderschöne Plätze zum Übernachten und der Sternenhimmel ist auch viel schöner als eine Zeltwand!
Hoch hinaus
So langsam bekam ich doch wieder Lust aufs Bergsteigen und beschloss, den Cerro Plata zu besteigen. An dessen Fuß gibt es auf 3.000 m Höhe eine bewohnte Berghütte und dort konnte ich — diesmal gut vom Hüttenwirt bewacht — mein Rad und den Großteil der Ausrüstung deponieren. Mit leichtem Gepäck machte ich mich auf den Weg ins Hochlager auf 4.600 m. Eigentlich hatte ich geplant, dort im Schlafsack zu übernachten. Dort angekommen traf ich aber zwei Bergsteiger, die gerade vom Gipfel zurückkamen und ins Tal absteigen wollten. Als sie sahen, dass ich ohne Zelt übernachten wollte, erzählten sie mir vom Sturm und minus 15 °C letzte Nacht und überließen mir kurzerhand ihr Zelt. So konnte ich am nächsten Tag gut ausgeschlafen bei Sonnenaufgang zum Gipfel auf 5.980 m loslaufen. Es hat auch alles gut geklappt, mittags war ich oben, am Nachmittag zurück im Lager und am gleichen Abend saß ich wieder in der Hütte! Das Zelt habe ich natürlich mit hinuntergebracht.
Im Land der Gauchos
Vor allem in Argentinien haben die Gauchos genannten Viehzüchter eine lange Tradition und spielen eine wichtige Rolle für das Nationalgefühl. Abseits der großen Städte gehen sie auch heute noch ihrer ursprünglichen Beschäftigung nach. Ihrer Wirkung für Touristen sind sie sich natürlich bewusst und lassen sich gerne fotografieren.
Klettern im Valle de los Condores
Kurz hinter dem Pass Pehuenche, über den die Grenze von Argentinien nach Chile verläuft, erreichte ich ein sehr schönes Klettergebiet. Dort wiederum traf ich zufällig eine Kletterin aus der Schweiz mit der ich klettern konnte! Auf den am Fuße der Wand liegenden Felsbrocken konnte man zudem wunderbar bouldern. So blieb ich noch einen weiteren Tag und konnte mich bis zum Abwinken ordentlich austoben.
Nach Hause …
Danach musste ich aber dann doch mal Richtung Santiago de Chile fahren und ganz ehrlich, nach acht Wochen fühlte sich mein Kopf irgendwie voll und mein Körper leer an. Ich freute mich darauf im Flieger zu sitzen. Die Fahrt nach Santiago verlief problemlos, ich ließ es gemütlich ausrollen. Meine letzte Nacht vor der Ankunft in Santiago de Chile verbrachte ich am Lagerfeuer. Dazu gab es Steak und Wein!
Nachtrag
Hauptsächlich wegen des ständig starken Windes beschloss ich unterwegs, nie wieder eine Radreise zu unternehmen. Jetzt aber, wo ich so schön im Warmen sitze und diese Zeilen schreibe, da fallen mir doch wieder ein paar schöne Ziele ein!